Abendstimmung in rauer Landschaft

Tag 5 – Teil II: Basislager im Sinnivággi für den Aufstieg zum Kebnekaise

Große Mühen

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Ja, es ist noch immer Tag 5. Wir sind heute um 10 Uhr beim Tjäktjapass gestartet, waren in Sälka und sind nun nur mehr 3km von den Singi-Hütten entfernt, auf 760m Höhe. Es ist 19.30, wir haben den Fluss Sinnijohka überquert und wir verlassen jetzt Kungsleden. Zu unserer Überraschung steht der Niederländer, den wir bei der Hütte kennengelernt haben, bei der Brücke und fragt, ob er sich uns anschliessen darf. Er hat keine Karte, wusste nichts von der alternativen Route, bis ich ihm in der Hütte davon erzählt habe, und wollte eigentlich über die Westroute auf den Kebnekaise gehen. Allein würde er diesen Weg nicht gehen, aber mit uns … na klar doch 🙂
Es bleibt Zeit für einen letzten Blick zurück zum Tjäktjapass – ganz schön weit weg. Wir sind auf unserer Tour immer wieder fasziniert, welche Entfernungen man in einem Tag zurücklegt. Dieser Moment, wenn man sich umdreht und kaum mehr erkennt, wo man eigentlich hergekommen ist!

Ein letzter Blick zurück – der Tjäktjapass ist kaum mehr erkennbar, ganz hinten, der Einschnitt rechts neben der AbendsonneEin letzter Blick zurück – der Tjäktjapass ist kaum mehr erkennbar, ganz hinten, der Einschnitt rechts neben der Abendsonne, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/60s, Blende 8, ISO 400
Marc, unser Begleiter in das Sinnivággi, im Hintergrund die Felswand des Mádir, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 25mm, 1/40s, Blende 8, ISO 400
Aufstieg entlang des Sinnijohka mit dem zugehörigen Berg Sinničohkka (2 Gipfel: 1678m und 1703m), © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/40s, Blende 8, ISO 400
Aufstieg entlang des Sinnijohka, vorne Marc, dahinter Elisabeth, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/100s, Blende 8, ISO 400

Während wir hier bergauf stapfen, bleibt ein wenig Zeit für ein paar Hintergrundinformationen. Der Kebnekaise [ˈkɛbnəˈkaisə] ist der höchste Berg Schwedens. Bei perfektem Wetter kann man vom Gipfel rund 8% der Fläche Schwedens überblicken – allerdings ist der Berg dafür bekannt, dass er sich gerne in oder über den Wolken versteckt.
Der Kebnekaise hat zwei Gipfel: zum einen den felsigen Nordgipfel mit 2096m (Nordtoppen) und zum anderen den vereisten Südgipfel (Sydtoppen). Die traditionelle Höhenangabe des Südgipfels ist 2111m, ältere Messungen sprechen von 2117m. Allerdings schmilzt das Eis und im Sommer 2014 waren es lediglich 2097m – nur mehr 1m trennte ihn da vom kleineren Nordgipfel. Im Sommer 2015 hat sich dank eines strengen Winters die Lage ein wenig entspannt, da waren es wieder 2102m. Update: im Sommer 2018 war es in Skandinavien außergewöhnlich heiß und der Sydtoppen ist stark geschrumpft, so dass nun der Nordgipfel der höchste Punkt in Schweden ist.
Die traditionellen Routen auf den Gipfel starten bei der Fjällstation Kebnekaise. Die Westroute (västra leden) ist ca. 18km lang und führt über mehrere Hügel und einen Berg, den Vierranvárri – wer über die Westroute geht, steigt zum Vierranvárri auf und dann vom Vierranvárri wieder 200 Höhenmeter ab, bevor dann der letzte lange Anstieg auf den eigentlichen Gipfel beginnt. Die Ostroute (östra leden) ist mit 10km deutlich kürzer, führt aber über einen spaltenreichen Gletscher.
Keine der beiden Routen ist für uns wirklich geeignet. Für den Gletscher fehlen uns sowohl Ausrüstung als auch Erfahrung und die Westroute wäre eine extrem lange Tour, liegt die Kebnekaise Fjällstation doch gut 14km von unserer Route entfernt, das wären also hin und zurück 28km extra und dann noch die 18km für die Westroute, in Summe also 46km und sehr viele Höhenmeter.

Doch wie so oft gibt es noch einen anderen Weg, den Durlings led.

Diese Route ist nach G. Durling benannt, der 1895 als dritter Mensch den Kebnekaise bestiegen hat [Wikipedia]. Eine wenig begangene und außer mit seltenen Steinmännchen unmarkierte Route, die einige Kilometer vor Singi durch das Sinnivágge und dann das Tal zwischen Guobirčohkka und Sinnibákti führt und genau dort auf die Westroute trifft, wo die armen Westtourengeher gerade die 200 HM abgestiegen sind. Die Schweden bezeichnen diesen Tiefpunkt der Westroute übrigens als “Kaffedalen” (coffee valley, ~1500m), die meisten Wanderer legen dort eine lange Pause ein.
Mittlerweile haben wir deutlich an Höhe gewonnen, Zeit für einen Blick zurück!
Abendstimmung – ein Blick zurück auf den Tjäktjajåkka, links die Felswand des Mádir (1078m), dahinter der Stuor Ruška (1700m) und neben dem Mádir der Roavgoaivi mit dem Mádirčohkka dahinter und dann am Bildrand ein Hauptgipfel der Sälka Gruppe miAbendstimmung – ein Blick zurück auf den Tjäktjajåkka, links die Felswand des Mádir (1078m), dahinter der Stuor Ruška (1700m) und neben dem Mádir der Roavgoaivi mit dem Mádirčohkka dahinter und dann am Bildrand ein Hauptgipfel der Sälka Gruppe mi, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/50s, Blende 8, ISO 400
Unterwegs unterhalten wir uns mit Marc, unserem niederländischen Weggefährten. Er erzählt uns, dass er 18 Jahre alt ist und er derzeit ein Jahr Auszeit macht und abwechselnd 1 Monat arbeitet und 1 Monat in der Welt unterwegs ist. Er sagt von sich, dass er keinen guten Orientierungssinn hat, immerhin war er aber in letzter Zeit schon am Mont Blanc und im Himalaya Basecamp.
Nicht lange und der Weg wird beschwerlich und führt durch die Geröllhalden des Sinničohkka (Talus: [Wikipedia]). Nur wenige Passagen sind leicht zu gehen, meist klettert man über mehr oder weniger wackelige Steine in allen Größen.

Der Weg wird beschwerlich und führt durch die Geröllhalden des Sinničohkka, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/40s, Blende 8, ISO 400
Durch die Geröllhalden des Sinničohkka, vorne Marc, dahinter Elisabeth, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/200s, Blende 5.6, ISO 400
Ein paar gemütliche Meter entlang des Sinnijohka zwischen den Schuttkegeln, im Hintergrund der Stuor Ruška (1700m)Ein paar gemütliche Meter entlang des Sinnijohka zwischen den Schuttkegeln, im Hintergrund der Stuor Ruška (1700m), © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/80s, Blende 5.6, ISO 400

Mittlerweile ist es nach 21.30 Uhr, direkt durch den Fluß (siehe Titelbild ganz oben) kommen wir nicht durch, wir queren auf einer gewaltigen Moräne, wo der Fluß unten durchfließt. 20 Minuten später sind wir dann am Anfang jenes Teils des Sinnivággi, wo das Tal breiter wird, knapp unter 1000m Höhe, im Delta der aus der Höhe kommenden Flüsse. Uns ist es hier zu feucht, wir steigen noch weitere 60m auf ein kleines Plateau auf und schlagen dort unser Zelt auf. Im Schatten der Berge ist es kühl, wir sind beide schon dick angezogen, Essen aber trotzdem im Freien unsere Nudeln mit Olivensauce und genießen die Abendstimmung mit Regenbogen. Das letzte Foto ist knapp vor 23 Uhr entstanden – Mitternachtssonne ist einfach toll!
Wir zwei im Sinnivággi, © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 35mm, 1/125s, Blende 5.6, ISO 400
Einsamer Zeltplatz  mit Regenbogen im Sinnivággi (knapp vor 23 Uhr), © Markus Proske — Canon EOS 5D Mark II, EF16-35mm f/4L IS USM, 21mm, 1/60s, Blende 5.6, ISO 400
Abschließend bleibt nur zu erwähnen, dass uns der heutige Tag wirklich gefordert hat. Mehr als 20km Streckenlänge, hohes Rucksackgewicht und dann am Ende des Tages der Aufstieg in das Sinnivágge durch die Geröllhalden. Außerdem waren wir von 10 bis 10 unterwegs. Morgen wird es jedenfalls wieder anstrengend, wir wollen früh aufbrechen. In den Schlafsack kriechen wir knapp vor 23.30 Uhr und schlafen dann auch sehr schnell ein.
Eine kleine Neuheit: ab jetzt gibt es auch topographische Karten zu unserer Tour mit eingezeichneter Route, den Zeltplätzen und den Hütten. Ein Klick öffnet die Karte in einem eigenen Fenster. Die Karte liegt in hoher Auflösung vor, man kann also weit hineinzoomen, entsprechend sind auch die Dateigrößen mit 10-40 MB pro Karte. Alle Karten werden natürlich auch im früheren Post zur Route verlinkt.

Lustwandler Karte: Abisko – Kebnekaise – Kaitumjaure (Quelle: Lantmäteriet, Schweden)

Abisko – Kebnekaise – Kaitumjaure (Quelle: Lantmäteriet, Schweden)
Ein Klick öffnet die Karte in neuem Fenster (>20 MB)
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