Tamarin des Hauts

Tag 1: Gîte de la Plaine des Chicots (1.839 m)

Aufstieg durch den mystischen Regenwald

von

Stille. Einzelne Vogelstimmen. Ein intensiver Waldgeruch. Der Weg zu Beginn ist relativ breit, die Wurzeln der japanischen Sicheltannen laufen kreuz und quer. Immer wieder ist der Weg mit Brettern terrassiert, obwohl es nicht wirklich steil ist, vermutlich ein Tribut an die extremen Regenfälle. Wir setzen einen Fuß vor den anderen und freuen uns über jede „fremde“ Pflanze, die wir erblicken. Auf dem ersten Stück ist der Wald unseren Wäldern gar nicht so unähnlich, aber je höher wir kommen, umso mehr geht er in einen tropischen Mischwald über und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Unsere ersten Schritte im tropischen Mischwald, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 8, ISO 1600
Schmale Wege, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 28mm, 1/60s, Blende 8, ISO 320
Weg am steilen Hang entlang, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 47mm, 1/100s, Blende 8, ISO 1250
Bartflechten im tropischen Mischwald, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 11, ISO 1400

Die erste Stunde ist um und wir sind einfach glücklich! Frisch verheiratet ? und in einer Landschaft unterwegs, die uns total begeistert. In einer derartigen Klimazone waren wir – sonst Fans des Nordens – ja noch nie auf Tour. Wir haben im Vorfeld zwar viele Bilder gesehen und vermutet, dass das was für uns sein könnte, aber das mit allen Sinnen zu spüren, ist doch etwas anderes.

Elisabeth, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 49mm, 1/80s, Blende 8, ISO 6400
Markus, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 31mm, 1/60s, Blende 8, ISO 2000
Ausblick auf die andere Seite, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 57mm, 1/125s, Blende 8, ISO 140

Auf dem schmalen Weg geht es stetig nach oben. Links und rechts des Weges befindet sich oft ein steiler Hang bzw. Abhang. Wir hatten aber nie das Gefühl, hier ausgesetzt unterwegs zu sein – durch die dichte Vegetation kommt dieses Gefühl zum Glück nicht auf, aber dennoch sollte man tunlichst nicht vom Weg fallen! ?
Dichter Bewuchs an steil abfallenden HängenDichter Bewuchs an steil abfallenden Hängen, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 24mm, 1/50s, Blende 11, ISO 900
Grundsätzlich ist die Vegetation auf La Réunion nur schwer in Bereiche zu gliedern. Die Insel weist über 200 Mikroklimazonen auf. Beim Aufstieg zur Gîte wechselt man so aus eher trockenen Teilen des Walds in sehr feuchten Regenwald und manchmal kurz darauf wieder zurück in einen trockeneren Teil – das spielt sich manchmal auf wenigen hundert Metern ab und ohne große Veränderung in der Höhe.
Der auf Réunion so besondere tropische Mischwald wird wegen der vielen verschiedenen Holzfarben der Bäume als Fôrets de bois de couleurs bezeichnet (in etwa „Farbholzwald“). Der Wald benötigt regelmäßig Feuchtigkeit, im feuchten Osten der Insel beginnt er bereits in tiefen Lagen, im trockenen Westen erst ab 700 m Höhe. Unterschieden wird in den Fôrets de bois de couleurs des Bas (Tieflagen) und den Fôrets de bois de couleurs des Hauts. Letztere sind die Regenwälder der hohen Lagen, diese sind wesentlich dichter, die Bäume wachsen weniger hoch und werden stark von Moosen und Flechten besiedelt. Im Osten findet man diese fallweise bereits ab 700 m, im Westen erst ab 1.100 m Höhe.
Gestartet am Wanderparkplatz Mamode Camp auf 1.200 m Höhe, haben wir mittlerweile die 1.500er Höhenmarke überschritten. Die Wolken hängen tief im Wald, die Luft ist extrem feucht. Zwei ganz typische Pflanzen des tropischen Mischwaldes, die ihr noch auf vielen Bildern sehen werden, möchten wir euch nun vorstellen: Baumfarne und Bartflechten.
Baumfarne im Nebel, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 33mm, 1/80s, Blende 11, ISO 200
Bartflechten, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 5.6, ISO 72
Wir haben mittlerweile auf einem – sehr feuchten – Baumstamm eine halbstündige Pause eingelegt und dabei ein paar quirlige Vögel zuerst nur gehört und dann, als sie die Scheu vor uns verloren haben, auch gesehen. Eigentlich wollten wir uns auf dem Flughafen noch Sandwiches kaufen für die Jause – das haben wir aber leider durch die Reklamation der nicht angekommen Trekkingstöcke völlig vergessen. Immerhin haben wir schon während des Wartens auf das Gepäck unsere Trinkblasen gefüllt und das war wichtig, denn hier ist es zwar feucht, es gibt aber auf dem ganzen Weg kein fließendes Wasser.

DIeser Baum ist richtig alt, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 8, ISO 500
Wilder Ingwer (eine invasive Pflanze) zwischen hochwachsendem Bambus, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 2.8, ISO 2200
Farne, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 25mm, 1/50s, Blende 8, ISO 360
Eine Bambusart, hier umgefallen und quer weiterwachsend, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 3.2, ISO 560

Eine für Réunion ganz typische Pflanze ist die Tamarin des Hauts (ungefähr übersetzt „Höhentamarinde“, lat. Acacia heterophylla). Sie wächst in Strauchform oder als Baum und kann über 20 Meter hoch werden. Der Baum wächst oft mit kurzen Stämmen, gerne schief, gerne ausladend, wenn Platz vorhanden ist. Typisches Vorkommen in Höhenlagen zwischen 1.200 und 1.800 Metern in feuchten Wälder, wo die Niederschläge im Jahresverlauf recht gleichmäßig sind. Eine Besonderheit der Tamarin des Hauts ist, dass junge Pflanzen andere Blätter haben als ältere Bäume (auf dem nächsten Bild seht ihr das mit viel Zoom ganz oben im Bild, bei ca. 2/3 der Bildbreite, das „grüne Büschel“, leichter geht es auf [Wikipedia]).

Im Tamarindenwald (Tamarin des Hauts), © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 49mm, 1/100s, Blende 5.6, ISO 800
Elisabeth, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 70mm, 1/160s, Blende 5.6, ISO 1100
Tamarin des Hauts, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 49mm, 1/100s, Blende 5.6, ISO 640

Rund um uns wird es immer feuchter und immer nebeliger. Die Stimmung ist schwer zu beschreiben, unwirklich und mystisch. Wir gehen still hintereinander her, setzen die Schritte auch immer leiser – hier ist es völlig ruhig, selbst die Vögel sind verstummt. So geht es die letzte Viertelstunde dahin, bis wir recht überraschend auf einer Lichtung herauskommen – wir haben die Gîte de la Roche Ecrite (auch Gîte de la Plaine des Chicots) erreicht. Rund um die Hütten stehen wunderschöne alte Tamarindenbäume.

Mystischer Nebelwald, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 28mm, 1/60s, Blende 8, ISO 360
Gîte de la Plaine des Chicots (1.839 m), © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 51mm, 1/100s, Blende 11, ISO 220
Gîte de la Plaine des Chicots (1.839 m) auf einer Lichtung im Tamarindenwald, © Markus Proske — NIKON Z 7, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 24mm, 1/50s, Blende 8, ISO 90

Bei unserem Ausgangspunkt Mamode Camp war die Hütte mit 2 Stunden Gehzeit angeschrieben, wir haben mit all unseren Fotostops fast 3 Stunden für die 638 Höhenmeter gebraucht (1/2 Stunde Pause herausgerechnet).
Es ist jetzt kurz vor 13:45 Uhr. Wir setzen uns auf die Bank vor der Hütte, doch bald beginnt es zu tröpfeln. Wir dürfen ausnahmsweise schon früher unser Zimmer beziehen und freuen uns, bald ins Trockene zu kommen. Doch die Freude währt nur kurz: im Zimmer ist es fast genauso kalt und feucht wie draußen. Die Wände sind feucht, das Bett ist feucht, die Laken sowieso und aus der Dusche kommt eiskaltes Nass. Gut, dass wir einen Waschlappen mithaben, so ist das Waschen einigermaßen erträglich. Wir packen die Hüttenschlafsäcke aus und legen uns bis zum Abendessen ins Bett. Wir sind von der Reise und der ersten Etappe müde genug, um gut zu schlafen.
Um 18:30 gibt es Abendessen. Rumpunsch, Gemüsesuppe mit Nudeln, Würstel (Schweinefleisch) mit Bohnen und Reis und einen Fruchtsalat aus der Dose. Beim Abendessen plaudern wir mit Valérie und Benoît, die im Norden Frankreichs zu Hause sind sowie mit Linda und ihrer Freundin, die auf einer karibischen Insel leben und zwei weiteren Franzosen. Alle schimpfen über die feuchte Unterkunft und die Kälte – nicht nur die Zimmer, auch der Speiseraum ist nicht beheizt. So haben wir immerhin gleich Gesprächsstoff.
Um 21:00 Uhr gehen wir schlafen und hoffen, dass wir uns nicht gleich am ersten Tag eine ordentliche Verkühlung aufreißen …
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