Nach einer ruhigen Nacht am sanft rauschenden Fluss, setzen wir am Morgen unseren Weg am Hang des Bláfell fort. Immer wieder queren wir kleinere Bäche, der Untergrund wechselt zwischen dem tiefen und sandigen Reitweg und eher steinigen Wegen am Hang. Wir treffen – wie schon gestern – keine anderen Wanderer, freuen uns allerdings über eine Vielzahl an Schafsbegegnungen, hier sogar in Form der traditionellen isländischen Schafspyramide.
Den Gletscherfluss Hvítá haben wir seit der Schlucht Sniðbjargargil nicht mehr gesehen, er verläuft tief im Canyon und damit außer Sicht, obwohl wir nie weit weg waren. Jetzt wird die Landschaft wieder offener und die Hvítá kommt wieder ins Blickfeld. Wir gehen mittlerweile in einem saftig-grünen Gebiet mit Buckelwiesen und der Reitweg hat sich hier schon tief in den Untergrund eingegraben. Parallel sind schon weitere Pfade durch Menschen und Pferde entstanden, auch diese werden im Lauf der Zeit immer tiefer und damit schlecht begehbar werden, als Folge entstehen neue Wege und so wird die „Trasse“ im Lauf der Zeit immer breiter.
Östlich des Lambafell ändern sich Landschaft und Weg – wir sind nahezu übergangslos in einem großen Sumpfgebiet. Einen definierten Weg gibt es hier nicht, der Sumpf ist mehr oder weniger tief, immer wieder gibt es kleine und größere Wasserflächen. Wir gehen im Zickzack, immer auf der Suche nach leidlich festem Boden – versinken verboten, sonst haben wir die nächsten Tage nasse Schuhe. Ab und zu müssen wir ein Stück zurückgehen, weil wir wieder vor einem kleinen See stehen und einen neuen Weg suchen. Auf den Bildern seht ihr, wie schön dieser Sumpf ist – dicht bewachsen und das viele Wasser ist auf den Bildern nicht einmal zu sehen.
Nach der Querung des Sumpfgebiets sind wir an den Hängen des Lambafell wieder auf festem Boden unterwegs. Der Wind bläst stark aus Norden, die Schafe ruhen windgeschützt, nur wir kämpfen gegen den Wind an, Kurs NNW ist gerade nicht ideal.
Am Rand des Lambafell öffnet sich der Blick nach Nordwest und der hat es in sich. Vor uns liegt der Gletscher Langjökull, mit 953 km² der zweitgrößte Gletscher Islands. Ihr ahnt es, der Name bedeutet langer Gletscher. Der mächtige Eisschild liegt auf der westlichen Riftzone Islands und unter dem Eis verbergen sich (mindestens) zwei Vulkansysteme, die auf Luftaufnahmen auch erkennbar sind.
Das Vulkansystem von Hveravellir ist das bekannteste, unter dem Gletscher liegt eine Hochebene mit einem großen Schildvulkan. Das Gebiet erstreckt sich über eine Länge von 55 km mit 5–18 km Breite. Östlich des Gletschers sind einige Schildvulkane entstanden, die bei Ausbrüchen vor 7.800 Jahren das Lavafeld Kjalhraun geschaffen haben – durch dieses gehen wir am Ende unserer Tour und auch zu einem der alten Krater. Das Ziel unserer Tour, das Hochtemperaturgebiet von Hveravellir mit seinen heißen Quellen, gehört ebenfalls zu diesem Vulkansystem.
Unterhalb der östlichen Gletscherzungen des Langjökull liegt der See Hvítárvatn (dieser kommt etwas später auf den Bildern), der Abfluss ist die Hvítá, mit starker Strömung, milchig-trüb. Typisch für einen Gletscherfluss transportiert sie viel Sediment, was für die Trübung sorgt. Erinnert ihr euch noch an den Wasserfall Gullfoss bei der Anreise? Jetzt seht ihr die Quelle, es ist der Abfluss des Gletschers.
Unser nächstes Ziel ist die Piste F35, die Hvítá ist unfurtbar, wir müssen zurück zur Straße und nutzen die Brücke zur Querung. Der Weg bis zur Piste verläuft jetzt nahe am Fluss und ist einfach zu gehen. Auch die isländischen Schafe bevorzugen diesen Weg. Die Gruppe auf dem Foto hat sich schon sehr von uns verfolgt gefühlt, ist immer ein Stück gegangen, hat skeptisch zurückgeschaut, ob sie noch verfolgt werden, ist wieder ein Stück gegangen usw. Irgendwann sind sie dann doch ein paar Schritte auf die Wiese gegangen und haben uns unter misstrauischen Blicken vorbeigelassen. An einem sonnigen, windgeschützten Hang legen wir eine längere Pause ein. Wir ziehen die Wanderschuhe aus, lesen, jausnen und genießen die Ruhe.
Nach der Brücke gehen wir etwa 2 km direkt auf der F35 bis zu einer kleinen Jeep-Piste, die in nordwestlicher Richtung von der F35 weg und zur Hütte Hvítárnes führt, das Schild an der Abzweigung zeigt 8 km bis zur Hütte an. Der Weg ist steinig und zach, die Landschaft kahl und grau – der Fernblick aber grandios. Der Weg zieht sich wie ein Kaugummi und als wir die Hütte endlich entdecken, dauert es noch immer eine gefühlte Ewigkeit, bis wir sie erreichen. So wunderschön der Weg heute Vormittag war, so eintönig ist er hier. Die Svarta queren wir auf einer kleinen Brücke.
Hvitárnes liegt in einem Gebiet saftiger Buckelwiesen, direkt am Gletschersee Hvitárvatn. Dahinter ragt imposant der Langjökull mit seinen mächtigen Gletscherzungen (Suðurjökull und Norðurjökull). Zwischen den beiden Gletscherzungen liegt der Berg Skríðufell. Die Hütte ist die älteste Hütte des Ferðafélag Íslands (FÍ), des isländische Bergsteigervereins. Die Hütte ist ein bekanntes Fotomotiv mit seinem roten Dach und den schützenden begrünten Wällen links und rechts. Sie bietet Platz für bis zu 30 Personen, wir schlagen allerdings unser Zelt in der Nähe auf.
Das Zelt ist aufgebaut und da kommt auch schon die sehr sympathische Hüttenwirtin. Wir zahlen mit Kreditkarte (2000 Kronen pro Nacht, pro Person für die Benutzung von WC und Wasser) und können auch gleich für die nächste Hütte zahlen, da diese nicht besetzt ist.
Zu essen gibt es nun wieder die mitgebrachten gefriergetrockneten Spezialitäten von Turmat & Co. So leicht und praktisch diese Packerl sind, so eintönig ist deren Würzung. Wir nehmen uns vor, unser Trekking-Essen in Zukunft etwas abwechslungsreicher zu planen. Wir haben in den letzten Jahren eindeutig schon genug davon gegessen. Während wir essen, trifft eine große Gruppe deutscher Wanderer mit Tagesrucksäcken an. Für sie steht schon ein riesiges beheiztes Zelt bereit, in dem schon warmes Essen für sie bereitsteht. Wir betrachten das Spektakel halb belustigt und halb neidvoll und ziehen uns ins Zelt zurück. Lesen, naschen, Abendroutine und gute Nacht!
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